Der Bebauungsplan

— 07.07.2020 —

Städte und Gemeinden erlassen meist nur für einen kleinen Teil ihres Gebiets Bebauungspläne. Die meisten Flächen sind unbeplant, sodass die Mehrheit der Bauvorhaben außerhalb des Plangebietes verwirklicht wird. Dort darf der Bauherr keineswegs bauen, was und wie er möchte. Im sog. unbeplanten Innenbereich sorgt § 34 BauGB dafür, dass der Bauherr sich daran ausrichtet, was es an Gebäuden in der Nachbarschaft um sein Baugrundstück bereits gibt. Das Vorhaben des Bauherrn muss sich in die tatsächlich vorhandene benachbarte Bebauung eingliedern.

Möchte der Bauherr etwas gänzlich Anderes im Innenbereich errichten, muss er unter Umständen die Gemeinde dazu bewegen, einen Bebauungsplan aufzustellen.

Der Bebauungsplan enthält die vollzugsfähigen und unmittelbar verbindlichen Festsetzungen für ein Bauvorhaben im Planbereich, § 8 (1) BauGB. 

Die Gemeinde beschließt den Bebauungsplan als Satzung, § 10 (1) BauGB. Gem. § 10 (3) BauGB ist der Bebauungsplan ortsüblich bekannt zu  machen, er ist mit Begründung und zusammenfassender Erklärung zu jedermanns Einsicht bereit zu halten. Mit der Bekanntmachung tritt der Bebauungsplan in Kraft. 

Durch die Bekanntmachung eines Bebauungsplans soll den hiervon unter Umständen Betroffenen deutlich gemacht werden, dass für ihr Grundstück eine neue bodenrechtliche Regelung in Kraft getreten ist und sie sich über deren Inhalt bei der auslegenden Stelle informieren können, Battis/Krautzberger/Löhr, Komm. BauGB, 13. Aufl. 2016, § 10, Rn. 35 ff.

Da der Bebauungsplan als Satzung zu beschließen ist, kann er nicht durch Gewohnheitsrecht entstehen, auch die langjährige Anwendung eines (unerkannt) unwirksamen Bebauungsplans kann diesem nicht zur Rechtswirksamkeit verhelfen, BVerwGE 55, 369 (377 f.). Umgekehrt ist es jedoch möglich, dass sich die tatsächlichen Verhältnisse einschließlich der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für den Planvollzug im Gebiet eines Bebauungsplans so entwickeln, dass die Festsetzungen ganz oder teilweise ihre Funktion verlieren oder als Ergebnis einer planerischen Abwägung nicht mehr vertretbar wären. Dann ist der Bebauungsplan funktionslos 

Funktionslosigkeit in Bezug auf einzelne Festsetzungen, den Bebauungsplan selbst oder einem räumlichen Teilbereich liegt vor, wenn die tatsächlichen Verhältnisse, auf die sich die Planfeststellungen beziehen, ihre Verwirklichung auf unabsehbare Zeit ausschließen und dies so offensichtlich ist, dass das Vertrauen in die Fortgeltung des Plans keinen Schutz verdient, OVG Münster Urt. v. 20.2.2015 – 7 D 29/13. Es reicht aber nicht, wenn Planfestsetzungen nicht mehr im gesamten Plangebiet umgesetzt werden können, da einzelne “Ausreißer” genehmigt wurden, die den Planvollzug im Übrigen nicht verhindern.

Gem. § 8 (2) BauGB sind Bebauungspläne aus dem Flächennutzungsplan zu entwickeln. Der Flächennutzungsplan enthält die Grundzüge der Planung für das gesamte Gemeindegebiet und ist verbindliche Entwicklungsgrundlage für den Bebauungsplan, sog. Entwicklungsgebot. Abweichungen vom Flächennutzungsplan sind nicht immer beachtlich, vgl. § 214 (2) BauGB.

  • 8 (2) Satz 2 BauGB enthält eine Ausnahme von der grundsätzlichen Zweistufigkeit der Bauleitplanung. Die Gemeinde kann auf die Aufstellung eines Flächennutzungsplans verzichten, wenn es für die Ordnung der städtebaulichen Entwicklung ausreicht, Bebauungspläne aufzustellen, sog. selbstständiger Bebauungsplan. Dieser muss nicht das gesamte Gemeindegebiet abdecken, jedoch ausreichen, die städtebauliche Entwicklung für das Gebiet zu ordnen.
  • 8 (4) BauGB enthält eine weitere Ausnahme vom Grundsatz der planerischen Vorrangigkeit des Flächennutzungsplans. Ein vorzeitiger Bebauungsplan kann aufgestellt werden, wenn dringende Gründe dies erfordern und zu erwarten ist, dass der Bebauungsplan der beabsichtigten städtebaulichen Entwicklung nicht entgegenstehen wird. Durch einen vorzeitigen Bebauungsplan kann die Rechtsgrundlage für gewichtige Investitionen geschaffen werden, der vorzeitige Bebauungsplan wird dann durch dringende Gründe erforderlich, BVerwG NVwZ 1985, 745 f. Auch Wohnungsnot ist als dringender Grund anerkannt.

Setzt der Bebauungsplan für ein bestimmtes Gebiet eines der in § 1 (2) BauNVO genannten Gebiete fest, z.B. “allgemeines Wohngebiet”, so gilt hierfür die BauNVO – für das “allgemeine Wohngebiet”, § 4 BauNVO. 

Bei der Verweisung auf die BauNVO, § 1 (3) und (4) BauNVO, handelt es sich um eine sog. statische Verweisung, das bedeutet, es gilt die Fassung der BauNVO, die zum Zeitpunkt des Erlasses des Bebauungsplanes galt. Der Bebauungsplan darf auch von der BauNVO abweichende Sonderbestimmungen treffen.

Ist das Verfahren zur Verabschiedung eines B-Plans bereits im Gang, so kann die Gemeinde beschließen, dass während des Verfahrens im betreffenden Bereich keine baulichen Veränderungen (i.s.d. § 14 BauGB) vorgenommen werden dürfen, sog. Veränderungssperre.

Vorhaben, die bereits vor Inkrafttreten der Veränderungssperre baurechtlich genehmigt worden waren, genießen Bestandsschutz, § 14 (3) BauGB. § 14 (3) BauGB wird analog auch auf den B-Plan angewendet, d.h. gegen die einmal erteilte Baugenehmigung kann eine spätere Änderung der Bauleitplanung nichts mehr ausrichten. Dasselbe gilt auch für den erteilten Bauvorbescheid über die planungsrechtliche Zulässigkeit, sog. Bebauungsgenehmigung. 

Liegt ein wirksamer, qualifizierter Bebauungsplan vor, darf das Bauvorhaben den Festsetzungen des B-Plans nicht widersprechen, d.h. es muss in seiner Art (§§ 1, 2-14 BauNVO), Maß (§ 16 BauNVO) und Festsetzungen hinsichtlich überbaubarer Grundstücksfläche (§ 23 BauNVO) dem Bebauungsplan entsprechen und die Erschließung muss gesichert sein. 

Zu beachten ist § 15 BauNVO, ein Bauvorhaben kann im Einzelfall unzulässig sein, wenn es nach Anzahl, Lage, Umfang und Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebietes widerspricht, § 15 (1) Satz 1 BauNVO, oder wenn von den baulichen Anlagen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder dessen Umgebung unzumutbar sind, oder wenn sie solchen Belästigungen oder Störungen ausgesetzt werden, § 15 (1) Satz 2 BauNVO, sog. Nachbarschutz.

Entspricht ein Vorhaben nicht den Festsetzungen des B-Plans, so können nach Ermessen der Behörde Ausnahmen und Befreiungen erteilt werden, vgl. § 31 (1) i.V.m. mit den Ausnahmen nach der BauNVO, § 31 (2) BauGB. In diesem Fall ist jedoch das Einvernehmen der Gemeinde nach § 36 BauGB erforderlich.

Beispiel: Seit der sog. Flüchtlingskrise gehört zu den Gründen des Gemeinwohls, § 31 (2) Nr. 1 BauGB, die eine Ausnahme vom B-Plan rechtfertigen, auch die Unterbringung von Flüchtlingen. Die Zulässigkeit eines Flüchtlingswohnheims kan sich daneben bereits aus 

  • 31 (1) i.V.m. §§ 3 (3) Nr. 2 und 4 (2) Nr. 3 BauNVO (“Anlagen für soziale Zwecke”) ergeben. Mit § 246 (8) bis (17) BauGB wurde eine zeitlich befristete Sondernorm geschaffen, die auch die Unterbringung von Flüchtlingen im Innenbereich und im Außenbereich baurechtlich erleichtert.

Im Bebauungsplan können Ausnahmen von den Festsetzungen zugelassen werden. Die Möglichkeit, nach § 31 BauGB Ausnahmen und Befreiungen von den Festsetzungen eines Bebauungsplans zu erteilen, ist auf das Bauplanungsrecht beschränkt. 

Für das Bauordnungsrecht sehen die Bauordnungen der Länder eigene Abweichungsmöglichkeiten vor, auch die Befreiung von Festsetzungen nach 3 9 (4) BauGB folgt den landesrechtlichen Bestimmungen. Anwendbar bleibt § 31 (2) BauGB, soweit die entsprechenden Landesregelungen auch für den Vollzug der Planfestsetzungen auf die Bestimmungen des BauGB verweisen.

Bei den Ausnahmen und Befreiungen geht es nur darum, den Besonderheiten des konkreten Bauvorhabens im Verhältnis zu den abstrakten planerischen Festsetzungen gerecht zu werden. Die gesicherte Erschließung muss aber in jedem Fall gewährleistet sein.

Im Innenbereich nach § 34 und im Außenbereich nach § 35 BauGB ist für die Erteilung von Ausnahmen und Befreiungen nach § 31 BauGB grundsätzlich kein Raum, da diese Vorschriften durch das Gebot des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung und die Berücksichtigung öffentlicher Belange bereits genügend Ansatzpunkte enthalten, um eine flexible und dem einzelfall gerecht werdende Genehmigungspraxis zu ermöglichen, BVerwG Urt. v. 18.10.1974 – IV C 77/73.

Kommt jedoch § 34 (2) BauGB zur Anwendung, so ist § 31 BauGB für die Art der baulichen Nutzung wie bei einem Bebauungsplan, der ein Baugebiet nach der BauNVO festsetzt, anzuwenden. Auch von der Beachtung des § 15 BauNVO kann nicht abgesehen werden. Auch er erfordert eine Einzelfallbetrachtung bei der Genehmigung. § 15 BauNVO ist gewissermaßen das Gegenstück zu § 31 BauGB. § 15 BauNVO schränkt die plankonformen Nutzungen aus Gründen des Einzelfalls ein, § 31 BauGB ermöglicht an sich planwidrige Nutzungen aus Gründen des Einzelfalls, Reidt, Komm. BauGB, § 31, Rn.8.

  • 31 BauGB ist bei allen Bebauungsplänen anwendbar, die Ausnahme muss aber Bestandteil des Bebauungsplans selbst sein, es genügt nicht, wenn lediglich in der Begründung des Plans davon die Rede ist, dass bestimmte Ausnahmen von den Planfestsetzungen zulässig sein sollen. Die Ausnahme muss nach Art und Umfang hinreichend bestimmt sein, BVerwGE 108, 190 (193 f.)