Wohnwagen als bauliche Anlage

— 04.12.2020 —

 

Der Kläger ist Eigentümer des Grundstückes, das in der Gemarkung Treffurt liegt.

Seinen Antrag, auf dem Grundstück ein (mobiles) Gartenhaus errichten zu dürfen, lehnte das Landratsamt Wartburgkreis mit Bescheid vom 08.07.2004 ab. Daraufhin stellte der Kläger auf dem Grundstück einen Wohnwagen ab. Er vertrat die Ansicht, dass mit dem Abstellen des Wohnwagens kein Stellplatz und damit auch keine genehmigungsbedürftige Anlage geschaffen worden sei. Außerdem hätten etliche Grundstückseigentümer in dem umliegenden Gebiet auch ihre Wohnwagen abgestellt oder Wochenendhäuser errichtet.

Das zuständige Landratsamt Wartburgkreis untersagte dem Kläger das Abstellen des Wohnwagens auf dem Grundstück und forderte ihn zur sofortigen Beseitigung auf. Das Vorhaben sei ohne Genehmigung errichtet worden und auch nicht genehmigungsfähig, da es sich im Außenbereich befinde, was die Erweiterung und Verfestigung einer Splittersiedlung befürchten lasse. Außerdem liege das Grundstück im Überschwemmungsgebiet. Den vom Kläger aufgeführten Vergleichsfällen werden mit dem Ziel der Einleitung bauaufsichtlicher Verfahren nachgegangen. Der Kläger beantragte im Jahr 2005 erneut, ihn für sein als “Stellen eines Gartenhauses” bezeichnetes Vorhaben eine Baugenehmigung zu erteilen, wobei es sich um ein “Mobilheim” Caravan handele. Die untere Wasserbehörde versagte mit Blick auf die Lage des Grundstücks ihr Einvernehmen hierzu. Das Landratsamt lehnte den Antrag auf Erteilung einer Baugenehmigung ab, der Widerspruch dagegen wurde zurückgewiesen.

Am 19.06.2006 ließ der Kläger Klage erheben. Er macht geltend, dass es sich bei dem Wohnwagen um keine bauliche Anlage handele, weil er jederzeit an einen anderen Ort verbracht werden könne. Obwohl das Grundstück im Außenbereich liege, sei das Vorhaben zulässig, da öffentliche Belange nicht beeinträchtigt werden. Auch sei die Wasserwirtschaft nicht gefährdet, bei Überschwemmungen könne der Wagen vom Grundstück gezogen werden. auch die Erweiterung und Verfestigung einer Splittersiedlung sei nicht zu befürchten, da in der näheren Umgebung ebenso Wohnwagen abgestellt worden seien. Auch befänden sich dort mehrere Wochenendhäuser. Das Vorgehen der Behörde sei willkürlich. Der Kläger legte eine Fotomappe vor, in der eine Vielzahl von weiteren Fällen von abgestellten Wohnwagen dokumentiert sei.

Der Beklagte beantragte die Abweisung der Klage. Er habe zwischenzeitlich das gesamte in der unmittelbaren Umgebung gelegene Gebiet besichtigt und in etwa 30 Fällen festgestellt, dass für dort gelegene bauliche Anlagen keine Baugenehmigung vorliege. Die Klage ist unbegründet.

Ausgangspunkt der rechtlichen Beurteilung ist § 77 Satz 1 ThürBO. Danach kann die Bauaufsichtsbehörde die teilweise oder vollständige Beseitigung von Anlagen anordnen, wenn diese Anlagen im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet oder geändert werden und wenn nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden können.

Bei dem streitgegenständlichen Wagen des Klägers handelt es sich um eine bauliche Anlage im Sinne des § 2 Abs. 1 ThürBO. Danach sind bauliche Anlagen alle mit dem Erdboden verbundene, aus Bauprodukten hergestellte Anlagen, wobei eine Verbindung mit dem Erdboden auch dann angenommen wird, wenn die Anlage nach ihrem Verwendungszweck dazu bestimmt ist, überwiegend ortsfest benutzt zu werden. So liegt der Fall hier. Der Wohnwagen soll augenscheinlich und vom Kläger so auch in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, als Ersatz für das abgelehnte (ortsfeste) Gartenhaus dienen. Der Wagen erhält dadurch eine enge Beziehung zu dem gewählten Standort und damit zu dem seiner Aufstellung dienendem Grundstück. Mögliche Unterbrechungen der Nutzung durch häufiges Entfernen vom Grundstück heben die ortsfeste Benutzung nicht auf.

Für das Aufstellen des Wohnwagens verfügt der Kläger über keine nach § 62 ThürBO erforderliche Baugenehmigung. Allein das Fehlen der Genehmigung – die formelle Illegalität der Anlage – rechtfertigt regelmäßig den Erlass einer Beseitigungsverfügung, wenn die Anlage ohne Substanzverlust und mit verhältnismäßig geringen Kosten für Entfernung und Lagerung beseitigt werden kann. Zu beachten ist aber, dass der Beklagte die Verfügung gerade auch auf die fehlende planungsrechtliche Genehmigungsfähigkeit der Anlage – die materielle Illegalität – gestützt und auch zur Grundlage seiner Ermessensentscheidung gemacht hat.

Insoweit erweist sich das Vorhaben als materiell nicht genehmigungsfähig. Zunächst ist festzustellen, dass der Wagen auch eine bauliche Anlage im Sinne des § 29 BauGB darstellt und für die Zulässigkeit des Vorhabens somit die §§ 30 bis 37 BauGB Anwendung finden.

Der bundesrechtliche Begriff der baulichen Anlage ist im Vergleich zu den entsprechenden Begriffen des Bauordnungsrechts nicht schlechthin der weitere, sondern – was selbstverständlich eine weitgehende inhaltliche Übereinstimmung nicht ausschließt – ein im Verhältnis zu ihnen eigenständiger und vom Landesrecht unabhängiger Begriff. Das folgt vor allem daraus, dass die Zweckrichtung und Zielsetzung des Bauplanungsrechts und des (landesrechtlichen) Bauordnungsrechts in wesentlichen Faktoren verschiedene sind: Einmal geht es um die Frage, ob ein Vorhaben für die städtebauliche Entwicklung erheblich und deshalb materiell Vorschriften des Bodenrechts zu unterwerfen ist. Andererseits geht es darum, ob es sich um ein Vorhaben handelt, dass im allgemeinen Interesse nicht ohne Beachtung gewisser ordnungsrechtlicher Vorschriften ausgeführt werden soll. Im Wesentlichen stimmen die Begriffe der baulichen Anlage, wo immer sie das Baurecht verwendet, überein. Für den bundesrechtlichen Begriff der baulichen Anlage maßgebend sind ein verhältnismäßig weiter Begriff des Bauens und eine mögliche bodenrechtliche Relevanz. Als Bauen in diesem Sinne ist das Schaffen von Anlagen anzusehen, die in einer auf Dauer gedachten Weise künstlich mit dem Erdboden verbunden sind. Dabei spielt die Art der Verbindung dann keine Rolle, wenn die von dem Verfügungsberechtigten dem Vorhaben zugewiesene Funktion deutlich macht, dass es an die Stelle eines anderen, üblicherweise mit dem Boden verbundenen Vorhabens, etwa eines Wochenendhauses, treten soll (…). So liegt der Fall hier.

Für das Gebiet existiert kein Bebauungsplan. Nach der vorliegenden Luftbildaufnahme und dem Lageplan liegt das Grundstück auch nicht innerhalb eines im Zusammenhang bebauten  Ortsteils gem. § 34 BauGB, sondern vielmehr im Außenbereich. Als nicht privilegiertes Vorhaben ist es dort unzulässig, weil zu befürchten ist, dass es eine bestehende Splittersiedlung erweitert und verfestigt. Ein im Zusammenhang bebauter Ortsteil im Sinne von § 34 Abs. 1 BauGB ist ein Bebauungskomplex im Gebiet einer Gemeinde, der nach der Zahl der vorhandenen Bauten ein gewisses Gewicht besitzt und Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur ist. Innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils liegt ein Vorhaben nur dann, wenn ein Ortsteil besteht und das Vorhaben mit diesem in einem Bebauungszusammenhang steht. Von einem solchen ist dann auszugehen, wenn eine tatsächlich aufeinanderfolgende, zusammenhängende Bebauung gegeben ist, die den Eindruck der Geschlossenheit vermittelt. Maßgebend für die Betrachtungsweise ist die Verkehrsauffassung mit der Folge, dass es entscheidend jeweils auf die Lage des Einzelfalls ankommt (…).

Das Grundstück des Klägers ist nicht Bestandteil der zusammenhängenden, organischen Bebauung der Ortslage von Teffurt. Es befindet sich abgesetzt hiervon in einem Gebiet südlich des Heizkraftwerkes, in dem sich neben unbebauten Flächen vereinzelt mit Wochenend- oder Gartenhäusern bebaute Grundstücke befinden. Das Gebiet ist auch kein eigenständiger Ortsteil im Sinne von § 34 Abs. 1 BauGB. Unter den Begriff der Bebauung im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB fällt nicht jede beliebige bauliche Anlage. Gemeint sind vielmehr nur solche Bauwerke, die für die angemessene Fortentwicklung der vorhandenen Bebauung maßstabsbildend sind. Dies trifft ausschließlich für Anlagen zu, die optisch wahrnehmbar und nach Art und Gewicht geeignet sind, ein Gebiet als einen Ortsteil mit einem bestimmten städtebaulichen Charakter zu prägen. Hierzu zählen grundsätzlich nur Bauwerke, die dem ständigen Aufenthalt von Menschen dienen (….). Für eine Dauerwohnnutzung sind die Gebäude in dem betreffenden Gebiet schon aufgrund ihrer Größe objektiv nicht geeignet.

Etwas anderes gilt auch dann nicht, wenn man der vom Thüringer Oberverwaltungsgericht im Urteil vom 28.05.2003 – 1 KO 42/00 – vertretenen Auffassung folgt, wonach eine Ansammlung von Wochenendhäusern ein faktischen Wochenendhausgebiet im Sinne des $34 Abs. 2 BauGB in Verbindung mit § 10 Abs. 1 BauNVO darstellen und damit grundsätzlich auch einen im Zusammenhang bebauten Ortsteil im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB bilden kann. Voraussetzung ist auch hier, dass die Anordnung der Bauten Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur ist und sich nicht als zusammenhang- oder regellose Streubebauung darstellt. Letzteres ist vorliegend der Fall. Eine Gebietsstruktur bzw. eine Siedlungskonzeption im Sinne einer voraussehenden Planung, die für Wochendend- oder Gartenhäuser nicht zuletzt im Hinblick auf Parzellierung und Zuwegung eine bestimmte Ordnung vorgibt, liegt hier nicht vor.

Als sonstiges, nicht im Sinne von § 35 Abs. 1 BauGB privilegiertes Vorhaben kann der Wohnwagen nicht nach § 35 Abs. 2 BauGB zugelassen werden, weil seine Ausführung öffentliche Belange beeinträchtigt. Insbesondere würde die Zulassung des klägerischen Vorhabens die Verfestigung oder Erweiterung einer Splittersiedlung befürchten lassen. Die Gefahr einer Verfestigung einer Splittersiedlung besteht auch dann, wenn sich eine unorganische Siedlungsstruktur, die eigentlich verhindert werden soll, bereits ansatzweise entwickelt hat und die Gefahr besteht, dass durch ein weiteres Vorhaben dieser Zustand bestätigt und verfestigt wird. Dadurch soll eine negative Vorbildwirkung und eine unorganische, städtebaulich unerwünschte Siedlungsstruktur verhindert werden (…). Die Gebäude im betreffenden Gebiet stellen – wie oben bereits ausgeführt – eine unerwünschte Splittersiedlung dar. Durch die Zulassung der hier streitgegenständlichen Bebauung würde eine weitere Zersiedlung und eine Fortsetzung der schon eingeleiteten regellosen Bebauung stattfinden. Mit der Genehmigung würde zudem ein Berufungsfall geschaffen für eventuelle Folgeanträge der Eigentümer anderer Flurstücke in diesem Bereich, sodass auch von einer negativen Vorbildwirkung auszugehen ist.

Auf die Frage, inwieweit das Vorhaben, das in einem Überschwemmungsgebiet verwirklicht werden soll, Belange des Hochwasserschutzes beeinträchtigt, kommt es daher nicht mehr an.

Der Kläger kann auch nicht mit Erfolg geltend machen, dass der Beklagte unter Verstoß gegen Artikel 3 Absatz 1 GG („Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich“) willkürlich nur gegenüber ihm vorgegangen sei und in vergleichbaren Fällen keine Beseitigung verlangt habe. Art. 3 Abs. 1 GG gewährt keinen Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht. Dieser Grundsatz entbindet die Baurechtsbehörde nicht von der Verpflichtung, ihre bauordnungsrechtliche Tätigkeit maßgeblich auch am Gleichheitsgrundsatz auszurichten. Ergreift oder unterlässt die Behörde Maßnahmen zur Bekämpfung baurechtswidriger Zustände, so hat sie in allen vergleichbaren Fällen in der gleichen Art und Weise zu verfahren. Das bedeutet bei einer Vielzahl von Verstößen jedoch nicht, dass sie gleichzeitig tätig werden muss. Entschließt sie sich zu einem Einschreiten, so ist es ihr unbenommen, die Verhältnisse nach und nach zu bereinigen. Es ist ihr nur verwehrt, systemlos oder willkürlich vorzugehen.