Stadtplanung, Tempelhofer Feld Berlin

— 03.09.2020 —

Erneut wird eine Randbebauung des Tempelhofer Feldes im Berliner Senat diskutiert. Politiker der CDU, SPD und FDP können sich einen neuerlichen Volksentscheid vorstellen. 

Die FDP-Fraktion und ein neu gegründeter Verein hatten sich für einen neuen Volksentscheid zur Randbebauung des Tempelhofer Feldes ausgesprochen, mindestens 12.000 Wohnungen sollen 2025 bezugsfertig sein.

Die Grünen und die Linken wollen das Tempelhofer Feld als Freifläche erhalten, sie fühlen sich dem Willen der Wähler verpflichtet. Eine Mehrheit der Berliner hatte 2014 gegen eine mögliche Randbebauung gestimmt, seitdem wird das Tempelhofer Feld als Freifläche für sportliche und gärtnerische Aktivitäten genutzt. Frau Stahr, Co-Vorsitzende der Berliner Grünen ist der Ansicht, eine Bebauung des Tempelhofer Feldes sei gar nicht nötig, auch sei auf der Neuköllner Seite die nötige Infrastruktur nicht vorhanden, das Kopfsteinpflaster sei bereits jetzt überlastet. Aktuell seien 45.000 Wohnungen in der Planung, für weitere Projekte fehle es an Bauunternehmen. Betont wird außerdem die ökologische Bedeutung des Tempelhofer Feldes als Kalt- und Frischluftschneise und als Lebensraum für seltene Tierarten. Der Central Park in New York sei größer als das Tempelhofer Feld, dort würde niemand auf die Idee kommen, zu bauen, das Tempelhofer Feld wird als Erholungsfläche für die Berliner gebraucht.

Die ehm. Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen, Frau Lompscher widerspricht ebenfalls den Plänen, denn für eine Bebauung müsste das Gesetz zum Erhalt des Tempelhofer Feldes geändert werden. (rbb24 vom 05.01.2020) Das Gesetz verbietet jegliche Bebauung auf der ca. 350 Hektar großen Freifläche.

Die Lektüre des Gesetzes lohnt sich. § 1 (1) formuliert: Ziel dieses Gesetzes ist es, die wertvollen Eigenschaften des Tempelhofer Feldes und die darauf beruhenden Funktionen dauerhaft zu erhalten und vor Eingriffen, welche sie gefährden oder verändern können, zu schützen.

(2) Das Tempelhofer Feld in seiner Gesamtheit ist wegen

  1. seiner Leistungs- und Funktionsfähigkeit im Naturhaushalt,
  2. der Eigenart und Schönheit seiner Landschaft,
  3.  seines Nutzens für die Erholung,
  4. seiner kulturhistorischen Bedeutung und als Ort der Berliner Geschichte, der Flugfahrt und des Gedenkens der Opfer des Nationalsozialismus von einmaligem Wert. Es hat diesen Wert unabhängig von öffentlichen und privaten Interessen.

§ 3 Nr. 1 des Gesetzes betont den Wert des Tempelhofer Feldes in seiner Wirkung auf das Stadtklima und die Leistungsfähigkeit des Naturhaushaltes. Wiesenflächen als Kaltluftentstehungsgebiet und Luftaustauschbahnen sind maßgeblich für Verdunstung, Temperaturverteilung und Luftaustausch. Durch die Vermeidung von Eingriffen wird die konkrete Gefahr einer Erwärmung und der sich daraus ergebenden Verschlechterung der menschlichen Lebensbedingungen in Teilen Berlins vorgebeugt. § 3 Nr. 2 stellt fest, dass die besondere und schützenswerte Schönheit der Landschaft des Tempelhofer Feldes in seiner räumlichen Weite und in der Offenheit der Sichtbeziehungen über große Entfernungen und der ortstypischen Klimasituation liegt. Natürlich bietet der Wiesenbereich mit der angepassten Flora und Fauna den nach dem Bundesnaturschutzgesetz geschützten Pflanzen und Tieren einen besonderen Lebensraum. Nr. 4 konkretisiert den Erholungswert, der sich aus der sinnlichen Wahrnehmung der Landschaft ergibt, den Bewegungsmöglichkeiten auf befestigten und unbefestigten Flächen und den Möglichkeiten zur sportlichen Betätigung für alle Berliner.

Das Land Berlin als Eigentümerin der Fläche verpflichtet sich in § 5 des Gesetzes zum Erhalt des Tempelhofer Feldes in seiner Gesamtheit und verzichtet auf die Errichtung von Gebäuden und Bauwerken und damit zusammenhängende Rechtsgeschäfte.

Die Berliner CDU will auch möglichst schnell einen neuen Volksentscheid, denn – wer hätte das gedacht – Berlin wächst und es fehlen bereits jetzt mehr als 100.000 Wohnungen. Im Juli 2019 befragte das Institut Civey im Auftrag des “Tagesspiegel” rund 3.000 Berliner, 

64,4 % der Befragten sprachen sich für eine sozialverträgliche Randbebauung der Freifläche aus. 6.000 Wohnungen für 20.000 Menschen mit Nettokaltmieten von 6,50 € bis 8,00 € pro qm sollen nach Vorstellung des stellvertretenden SPD Kreisvorsitzenden Kohlmeier entstehen. Außerdem soll ein 110 Hektar großer Mischwald entstehen, der Lebensraum für Pflanzen und Tiere bieten würde.

Das war der Informationsstand im Januar 2020, vor Corona und vor Inkrafttreten des sog. Mietendeckels, der wie inzwischen absehbar ist, Mietsteigerungen nicht verhindert und für den Wohnungsneubau eher kontraproduktiv wirkt. Zum Glück wird in Berlin noch gebaut, vor allem Eigentumswohnungen und Gewerbeeinheiten.

Die Bebauungsgegner argumentieren, dass kaum bezahlbarer Wohnraum entstehen könne, da es lediglich für 850 Wohnungen die o.g. Kaltmiete geben würde und diese auch zeitlich begrenzt sei. Außerdem ist die Erschließung nicht gesichert, Kanalisation, Zufahrtswege etc. würden mehr als 400 Millionen € kosten, während andernorts in der Stadt 972 Hektar bereits erschlossene innerstädtische Baulandreserven zur Verfügung stehen, auf denen günstiger gebaut werden könne. Die Randbebauung des Tempelhofer Feldes würde zuviel Freifläche zerstören (Quelle: Internetseite der bürgerschaftlichen Vertreterinnen und Vertreter Tempelhofer Feld-Koordination).

Inzwischen ist Sebastian Scheel als neuer Berliner Bausenator im Amt und der Mietendeckel, für den seine Vorgängerin sich stark gemacht hatte, soll überprüft, am besten gleich abgeschafft werden, fordern Vertreter der Immobilienwirtschaft. Herr Scheel will jedoch am bisherigen Kurs festhalten und auch die Grünen-Fraktionschefinnen Antje Kapek und Selke Gebel sind der Auffassung, dass die Neuausrichtung der Wohnungspolitik hin zu einem gemeinwohlorientierten Wohnungsmarkt gestärkt werden müsse. Nötig sei mehr Personal zur Umsetzung des Mietendeckels. (Haufe.de vom 20.08.2020)