Vorhaben im Innenbereich

— 07.07.2020 —

§ 34 BauGB greift nicht nur, wenn kein B-Plan besteht. Auch ein unwirksamer B-Plan führt zur Anwendung des § 34 BauGB. Steht ein B-Plan dem Bauvorhaben entgegen, wäre dieses aber nach § 34 zulässig, kann der Bauherr die Unwirksamkeit des B-Plans einwenden.

Nach § 34 (1) S.1 BauGB gilt, dass ein Vorhaben zulässig ist, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. 

Ob das Vorhaben der Art nach zulässig ist, richtet sich gem. § 34 (2) allein nach den §§ 2 ff. 

BauNVO, sofern die Eigenart der näheren Umgebung einem der in der BauNVO genannten Baugebiete entspricht. Die übrigen Elemente müssen sich gem. § 34 (1) BauGB in die Eigenart der näheren Umgebung einfügen.

§34 (1) BauGB ist nur auf Grundstücke anwendbar, die innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile, sog. Innenbereich, liegen. Alle anderen unbeplanten Grundstücke liegen im Außenbereich. Die Gemeinde kann durch Satzung nach § 34 (4) BauGB die Grenzen des Innenbereichs verbindlich festlegen, sog. Innenbereichssatzung.

 “Im Zusammenhang bebaut” und “Ortsteil” sind zwei Tatbestandsmerkmale, die kumulativ erfüllt sein müssen.

In der Praxis ist die Feststellung, ob ein Grundstück noch im Innen- oder bereits im Außenbereich liegt, häufig schwierig. Wo genau im Einzelfall die Grenzlinie verläuft, ist oft eine Wertungsfrage, die unterschiedlich beantwortet werden kann. Meist sind Ortstermine nötig.

“Im Zusammenhang bebaut”: Jede tatsächlich aufeinanderfolgende Bebauung, die den Eindruck der Geschlossenheit = Zusammengehörigkeit vermittelt (BVerwG, BRS 79 Nr. 113).

Abzustellen ist auf die äußerlich wahrnehmbaren Verhältnisse, Darstellungen im Flächennutzungsplan oder künftig geplante Vorhaben sind dabei unerheblich, BVerwG Urt. v. 12.12.1990 – 4 C 40/87.

Für die Entscheidung, wo im Einzelfall die Grenze des Bebauungszusammenhangs verläuft, sind auch topografische Verhältnisse wie Geländehindernisse, Erhebungen oder Einschnitte und Waldränder bedeutsam. Der Bebauungszusammenhang endet in der Regel mit der letzten an eine größere Freifläche angrenzenden Bebauung.

Davon abgegrenzt werden muss die bloße Unterbrechung des Bebauungszusammenhangs z.B. durch eine Straße. Entscheidend ist, ob die aufeinanderfolgende Bebauung den Eindruck der Geschlossenheit vermittelt, BverwG Urt. v. 28.10.1993 – 4 C 5/93. Auch der von einer Straße ausgehende Verkehrslärm kann für sich allein einen optisch wahrnehmbaren Bebauungszusammenhang nicht aufheben. Besteht jedoch nur an einer Straßenseite ein Bebauungszusammenhang, liegen die Grundstücke auf der anderen Seite, sofern nicht andere Umstände hinzukommen, im Außenbereich.

Die sog. Regelvermutung für eine trennende Wirkung einseitig bebauter Straßen zwischen Innen- und Außenbereich macht die Berücksichtigung der konkreten örtlichen Gegebenheiten nicht überflüssig, vgl. OVG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 10.12.2014 – 10N1.13.

Auf die Grundstücksgrenzen kommt es für die Lage in einem Bebauungszusammenhang  nicht entscheidend an, insbesondere wird durch die Teilung eines Grundstücks die Bebaubarkeit i.S.d. § 34 BauGB weder begründet noch beeinträchtigt. In den Bebauungszusammenhang kann daher z.B. auch nur ein Teil eines Grundstücks einbezogen sein, BVerwG Beschl.v. 8.10.2015 –  4 B 28.15.

Abgrenzungsschwierigkeiten treten in Fällen auf, in denen die Aufeinanderfolge von baulichen Anlagen durch Baulücken, größere freie Flächen oder auch durch eine Bebauung durchbrochen ist, die ihrerseits nicht in der Lage ist, einen Bebauungszusammenhang herzustellen. Ausschlaggebend ist, inwieweit die aufeinanderfolgende Bebauung noch den Eindruck der Geschlossenheit vermittelt, BVerwGE 28, 268.

Im Einzelfall können selbst größere Freiflächen, die wegen ihrer natürlichen Beschaffenheit oder ihrer besonderen Zweckbestimmung einer Bebauung entzogen sind, unbeachtlich sein.

Ein Bebauungszusammenhang kann vorliegen, wenn eine Baulücke bestimmter Größe zwischen großzügig bemessenen mit Einfamilienhäusern bebauten Grundstücken liegt, während bei einer eng aneinander gereihten Bebauung eine vergleichbar große Lücke den Bebauungszusammenhang unterbricht, weil sich eine Neubebauung nicht mehr als zwanglose Fortsetzung der vorhandenen Bebauung darstellen würde.

In der Regel liegt lediglich eine Baulücke und keine Unterbrechung des Bebauungszusammenhangs vor, wenn eine noch nicht bebaute Fläche nur so groß ist, dass sie lediglich eines oder einige wenige der Vorhaben aufnehmen kann, die sich auf den Nachbargrundstücken bereits befinden, vgl. BVerwGE 62, 250 (251). Allerdings gibt es keine Faustregel, dass bei einer Baulücke mit drei bis vier Bauplätzen stets noch der Bebauungszusammenhang gewahrt ist.

Eine von Bebauung umgebene unbebaute Innenstadtfläche liegt jedoch nicht innerhalb des Bebauungszusammenhangs, wenn sie so groß ist, dass sich ihre Bebauung nicht als zwanglose Fortsetzung der vorhandenen Bebauung aufdrängt, vgl. BVerwGE 41, 227.

Unbebaute Grundstücke, deren Bebauung beabsichtigt oder bereits genehmigt ist, sind nicht wie bebaute Grundstücke zu behandeln. Ein qualifiziert beplantes Gebiet kann aber zur vorhandenen Bebauung gehören, dennoch sind auch dort unbebaute Grundstücke nicht deshalb wie eine bereits vorhandene Bebauung zu behandeln.

Ein bebautes Grundstück unterbricht den Bebauungszusammenhang nur dann, wenn die Bebauung im Verhältnis zur Größe des Grundstücks von ganz untergeordneter Bedeutung ist, BVerwGE 75, 34. 

Eine Unterbrechung des Bebauungszusammenhangs kann jedoch vorliegen, wenn größere Flächen nur mit baulichen Anlagen belegt sind, die für sich genommen, keinen Bebauungszusammenhang bilden können. Diese Flächen sind daher ähnlich wie unbebaute Flächen zu betrachten, da sie in der Regel nichts zu einer organischen Siedlungsstruktur beitragen können.

Eine in den Bebauungszusammenhang in keiner Weise einpassende Bebauung – Fremdkörper, der die Eigenart des Gebietes nicht prägt – unterbricht nicht den Bebauungszusammenhang, BVerwG Urt. v. 15.2.1990 – 4 C 23/86, BVerwGE 84, 322.

Bebaute Grundstücke in angrenzenden Gemeinden können Bestandteil eines tatsächlichen Bebauungszusammenhangs sein, allerdings ist § 34 BauGB nur anwendbar, wenn der Bebauungszusammenhang auch Ortsteil ist.

Im Gegensatz zu dem rein äußerlich und faktisch zu bestimmenden Bebauungszusammenhang hat der Begriff des Ortsteils auch eine rechtliche Komponente, da sich darin die Beziehung zur Planungshoheit der Gemeinde ausdrückt. 

Der Gemeinde ist im Rahmen des § 34 BauGB mit Blick auf ihre Verantwortung für die städtebauliche Ordnung und Entwicklung nur das zuzurechnen, was sie durch eigene sachgerechte Planung auch abwenden könnte. Da sie keine Möglichkeit hat, das Heranrücken eines benachbarten bebauten Ortsteils an ihren Außenbereich planerisch zu verhindern, ist insoweit nur auf die Bebauung im jeweiligen Gemeindegebiet abzustellen, BVerwG Urt. v. 3.12.1998 – 4 C 7/98.

 “Ortsteil” Jeder Bebauungszusammenhang im Gemeindegebiet, der nach der Zahl der vorhandenen Bauten (mindestens sechs, BVerwG BRS 22 Nr. 76, vier genügen nicht) ein gewisses Gewicht besitzt und Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur ist, BVerwG BRS 79 Nr. 113. 

Ob das gewisse Gewicht erreicht wird, richtet sich nach der Umgebung. So können in ländlich geprägter Umgebung sechs Häuser genügen, während im städtischen Bereich zehn bis zwölf Gebäude nötig sein mögen. Lediglich vier Wohngebäude bilden keinen Ortsteil. 

Die Zahl der vorhandenen Bauten, die erforderlich sind, um das Vorliegen eines Ortsteils bejahen zu können, lässt sich nicht generell festlegen. Im Einzelfall kann ein Bestand von wenigen Häusern ausreichen, wenn in der Gegend entsprechende Siedlungsformen typisch sind, BVerwG Beschl. v. 19.4.1994 – 4 B 77/94. Ein Weiler mit sechs landwirtschaftlichen Hofstellen und drei alleinstehenden Wohnhäusern ist kein Ortsteil. Sieben im Durchschnitt zweigeschossigen Wohngebäuden fehlt bereits von der Anzahl der Baulichkeiten her das für einen Ortsteil zu fordernde hinreichende Gewicht, VGH Mannheim Urt. v. 26.3.1984 – 8 S 1895/83. Fünf Wohnhäuser und fünf landwirtschaftliche Nebengebäude können einen Ortsteil bilden, OVG Lüneburg Beschl. v. 18.11.2009 – 4 LA 371/08.

Aber auch, wenn die Anzahl der vorhandenen Bauten nicht unbeträchtlich hinter anderen Ansiedlungen dieser Gegend zurückbleibt, ist ein rein quantitativer Vergleich unangemessen; es ist ein Vergleich mit einer unerwünschten Splittersiedlung vorzunehmen.

Hinsichtlich des Merkmals “organischen Siedlungsstruktur” ist nicht darauf abzustellen, dass es sich um eine nach Art und Zweckbestimmung einheitliche Bebauung handelt, auch eine unterschiedliche oder in ihrer Art und Zweckbestimmung gegensätzliche Bebauung kann einen Ortsteil bilden. Der Ortsteil braucht sich auch nicht als ein Schwerpunkt der städtebaulichen Entwicklung oder als eine Bebauung mit einem eigenständigen Leben darzustellen.

Eine völlig regellose und in dieser Anordnung nach Art oder Maß funktionslose Bebauung oder eine Anhäufung behelfsmäßger Bauten entspricht nicht mehr der von § 34 ermöglichten angemessenen Fortentwicklung einer vorhandenen Bebauung, BVerwG Beschl.v. 18.02.2014 – 4 BN 1.15.

Ausnahmsweise aber kann eine bandartige einzeilige Bebauung den Anforderungen an eine organische Siedlungsstruktur entsprechen, wenn sie auf die Funktion und den Nutzungszweck der Bebauung zurückgeht und darin ihre Rechtfertigung findet, z.B. bei einer Bebauung an einem Seeufer, BVerwGE 41, 227.

Ein Bebauungszusammenhang in Innenstadtlage ist immer ein Ortsteil.

Der Gegenbegriff zum Ortsteil ist die Splittersiedlung als eine bloße Anhäufung von Gebäuden bzw. die unorganische Streubebauung im Außenbereich.

Ein Ortsteil kann “für sich allein genommen” nicht lediglich durch Bauwerke gebildet werden, die nicht dem ständigen Aufenthalt von Menschen dienen. Gebäude mit diesem Zweck, z.B. Wohn- und Geschäftshäuser, Büros und Verwaltungsgebäude, Gewerbe- und Industriebetriebe müssen also hinzukommen, BVerwG Urt. v. 19.4.2012 – 4 C 10.11.

Unter Umständen können auch nur vorübergehend genutzte oder auch unbewohnte Gebäude je nach Funktion und Charakteristik ortsteilprägend sein.

Ein Kleingartengebiet bildet unbeschadet einer durchgehenden Laubenbebauung keinen Ortsteil, wenn die Gebäude nicht für den dauernden Aufenthalt von Menschen bestimmt sind, BVerwG Urt. v. 17.2.1984 – 4 C 55/81.

Das Vorhaben muss sich in die Eigenart der näheren Umgebung einfügen, die faktisch als Planersatz fungiert. Die nähere Umgebung umfasst nicht nur die unmittelbaren Nachbargrundstücke (Angrenzer), sondern auch die Grundstücke, auf die das Vorhaben sich auswirken kann, sofern diese das Baugrundstück noch bodenrechtlich beeinflussen. Sie müssen also zumindest im betreffenden Ortsteil liegen, BVerwGE 55, 369; BVerwG, BRS 39 Nr. 57. 

Die räumlichen Grenzen der näheren Umgebung sind nach der tatsächlichen städtebaulichen Situation zu bestimmen, in die das für die Bebauung vorgesehene Grundstück eingebettet ist. Die Grenzen lassen sich nicht schematisch bestimmen. Die nähere Umgebung muss insoweit berücksichtigt werden, als sich die Ausführung des Vorhabens auf sie auswirken kann und soweit die Umgebung ihrerseits den bodenrechtlichen Charakter des Baugrundstücks prägt oder doch beeinflusst, BVerwGE 55, 369 (380). 

Die Eigenart der näheren Umgebung ist für jedes Kriterium des Einfügens gesondert abzugrenzen, bei der Art der baulichen Nutzung reicht sie tendenziell am weitesten.

Die Eigenart der näheren Umgebung wird durch die tatsächlich vorhandene Bebauung geprägt. Jedoch kann auch die “Nichtüberbaubarkeit” bestimmend für die Eigenart der näheren Umgebung sein. Was die vorhandene Bebauung nicht prägt oder gar als Fremdkörper erscheint, muss außer Acht gelassen werden, BVerwG Urt.. v. 7.12.2006 – 4 C11.05, z.B. ein einzelner Gewerbebetrieb in einem Wohngebiet. 

Sofern die bisherige Nutzung aufgegeben wird, prägt diese solange weiter, bis nach der Verkehrsauffassung mit einer erneuten Nutzungsaufnahme nicht mehr gerechnet werden kann, BVerwGE 75,34; BVerwGE 98,235. 

Eine Straße kann für die Prägung in Bezug auf die Eigenart der näheren Umgebung trennende oder verbindende Funktion haben, es ist nicht allein auf den optischen Eindruck abzustellen, wenn die Bebauung diesseits und jenseits der Straße unterschiedliche Nutzungen aufweist, BVerwG. Urt. v. 6.7.1984 – 4 C 28/83.

Künftige bauliche Entwicklungen sind nur dann beachtlich, wenn sie sich bereits in der vorhandenen Bebauung niederschlagen, BVerwGE 55, 369 (381).

Problematisch ist häufig, ob das Vorhaben sich nach der Art der baulichen Nutzung einfügt. Da § 34 (2) BauGB eine Spezialregelung für faktische Baugebiete vorsieht, müssen die beiden Prüfungsstufen bzgl. der Art der Nutzung nur in sog. “Gemengelagen” vollständig durchlaufen werden. 

Eine Gemengelage zeichnet sich dadurch aus, dass in der näheren Umgebung so verschiedene Nutzungsarten vorhanden sind, dass sie keinem der Baugebiete der § 2 ff. BauNVO zugeordnet werden kann, BVerwGE BRS 56 Nr. 61. 

Ob ein Vorhaben in einem faktischen Baugebiet (dann § 34 (2) BauGB iVm. BauNVO) oder in einer Gemengelage liegt (dann § 34 (1) allein) kann erhebliche Auswirkungen haben. In einer Gemengelage muss ein Vorbild der Nutzungsart vorhanden sein, damit sich das Vorhaben in den prägenden Rahmen einfügt. In einem faktischen Baugebiet muss das Vorhaben nur abstrakt zulässig sein, es braucht kein Vorbild. (§ 34 (2) BauGB ist also stets vor § 34 (1) BauGB zu prüfen.) Hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung ist immer nach § 34 (1) BauGB zu fragen, ob sich das Vorhaben in die Umgebung “einfügt”.

Aus der Eigenart der näheren Umgebung sind die Maßstäbe dafür zu finden, ob sich ein Vorhaben einfügt und damit baurechtlich zulässig ist. Hält sich das Vorhaben in jeder Hinsicht innerhalb des aus seiner Umgebung hervorgehenden Rahmens, fügt es sich in seine Umgebung ein, BVerwGE 55, 369 (385). Der für die Beurteilung der baurechtlichen Zulässigkeit im Innenbereich maßgebliche Rahmen kann gegebenenfalls auch durch städtebaulich an sich unbefriedigende Faktoren mitbestimmt werden.

Aus der näheren Umgebung sind die Maßstäbe für das Einfügen eines Vorhabens sowohl hinsichtlich der Art und des Maßes der baulichen Nutzung, als auch hinsichtlich der Bauweise und der überbaubaren Grundstücksfläche zu gewinnen. Ob sich ein Vorhaben einfügt, ist dabei für jedes dieser Kriterien gesondert zu beurteilen, BVerwG Beschl. v. 13.5.2014 – 4 B 38/13. Der von der Umgebung vorgegebene Rahmen ist dabei umso enger, je einheitlicher die das Grundstück in bodenrechtlicher Hinsicht prägende Umgebung ist.

Sind in der als Maßstab beachtlichen Umgebung Wohngebäude, Gewerbebetriebe ohne erhebliche Nachteile für die Umgebung, aber auch Gewerbebetriebe von stärker emittierender Art vorhanden, ist die Bandbreite hinsichtlich der Art der Bebauung entsprechend groß.

Sind in der als Maßstab beachtlichen Umgebung die Grundstücke mindestens zu einem Viertel, höchstens aber zur Hälfte bebaut, so reicht beim Maß der Bebauung der Rahmen von der Grundflächenzahl 0,25 bis 0,5. Haben die Häuser in der als Maßstab beachtlichen Umgebung zwei, drei oder vier Vollgeschosse, so schließt der beachtliche Rahmen zwei bis vier Vollgeschosse ein.

Liegen die bebauten Grundstücksflächen jeweils an der Straße oder bis zu 12 m von ihr entfernt, ist damit in Bezug auf die überbaubaren Grundstücksflächen ein entsprechender Rahmen gegeben. Fügt sich ein Vorhaben nur ein, wenn das Grundstück in geschlossener Bauweise bebaut wird, darf nach Landesbauordnungsrecht nicht die Einhaltung von seitlichen Abstandsflächen verlangt werden, BVerwG Beschl. v. 11.3.1994 – 4 B 53/94.

Findet sich in der Nachbarschaft offene und geschlossene Bauweise, sind bauplanungsrechtlich beide Bauweisen möglich.

Die Bestimmung des Rahmens, in den sich ein Vorhaben einfügen muss, richtet sich hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung nach den in der BauNVO für die einzelnen Baugebiete typisierten Nutzungsarten, soweit diese in der näheren Umgebung tatsächlich vorhanden sind. Die BauNVO stellt eine Konkretisierung der geltenden Planungsgrundsätze dar, so dass auch im Rahmen des § 34 (1) BauGB an die Typisierung der Nutzungsarten in der BauNVO angeknüpft werden kann.

Beim Maß der baulichen Nutzung kommt es “nicht auf die Feinheiten der Berechnungsregeln” der BauNVO an, sondern mehr auf das äußere Einfügen und die absoluten Maße (Grundfläche, Höhe), weniger auf die relativen Maßstäbe wie Grundflächen- oder Geschossflächenzahl, BVerwG Urt. v. 23.3.1994 – 4 C 18/92, BVerwGE 95, 277. Entscheidend ist also die von außen wahrnehmbare Erscheinung des Gebäudes im Verhältnis zu seiner Umgebungsbebauung. Wegen des Maßes der baulichen Nutzung können bodenrechtliche Spannungen nur auftreten, wenn das Vorhaben unabhängig von seiner Nutzungsart den vorhandenen Rahmen in unangemessener Weise überschreitet. 

Das ist der Fall, wenn eine bauliche Massierung zu einer sowohl in der Höhe als auch in der Tiefe erheblichen Nachverdichtung führt. Dagegen fügt sich ein Änderungsvorhaben im Hinblick auf das Maß der baulichen Nutzung regelmäßig schon dann in die Eigenart der näheren Umgebung ein, wenn das Gebäude in seinen Ausmaßen unverändert bleibt, BVerwG Beschl. v. 21.6.2007, zu einem Dachgeschoss; der Ausbau eines Dachgeschosses zu Wohnzwecken fügt sich nicht ohne weiteres ein, wenn er über eine “Aktualisierung” der Flächenreserven hinausgeht und Auf- und Ausbauten im Äußeren vorgenommen werden sollen, die der Eigenart der näheren Umgebung nicht entsprechen, OVG Lüneburg Beschl. v. 21.12.2005 – 1 LA 8/05. 

Für den Begriff der überbaubaren Grundstücksfläche sind die konkrete Größe und räumliche Lage innerhalb der vorhandenen Bebauung und nicht die Grenzen des Baugrundstücks maßgeblich. Es geht dabei um den Standort im städtebaulichen Gefüge und Zusammenhang, maßgeblich sind die vorhandenen Hauptgebäude, BVerwG Beschl.v. 13.5.2014 – 4 B 38/13; BVerwG Beschl. v. 11.7.1997 – 4 B 172.97. 

Das Erfordernis des Einfügens schließt nicht generell die Verwirklichung eines Vorhabens aus, für das es in der Umgebung kein Vorbild gibt. Findet sich kein Vorbild, kann sich ein Vorhaben gleichwohl einfügen. Auch Vorhaben, die den aus ihrer Umgebung ableitbaren Rahmen überschreiten, können sich dieser Umgebung “einfügen”, denn bei diesem Kriterium geht es weniger um “Einheitlichkeit” als um “Harmonie”. 

Vorhaben fügen sich daher auch dann in die Eigenart der näheren Umgebung ein, wenn sie zwar den vorhandenen Rahmen überschreiten, im Übrigen aber keine nur durch eine Bauleitplanung zu bewältigende bodenrechtliche Spannung in das Gebiet hineintragen. Das Gebot des “Einfügens” zwingt nicht zur “Uniformität”, BVerwG Urt. v. 26.5.1978 – 4 C 9/77, BVerwGE 55, 369 (386). 

Ist die Art der baulichen Nutzung bisher ausschließlich vom Wohnen bestimmt, kann sich z.B. ein Kurheim oder eine wohnbauähnliche Einrichtung zu sozialen Zwecken gleichwohl einfügen. Auch beim Maß der baulichen Nutzung kann je nach den Umständen des Einzelfalls nach oben oder nach unten abgewichen werden; erfordert etwa ein Jugendheim einen größeren Freiplatz, kann von der in der Umgebung vorhandenen Größe der überbaubaren Grundstücksfläche abgewichen werden.

Ein Vorhaben, dass den vorgegebenen Rahmen überschreitet, ist allerdings dann unzulässig, wenn es im Verhältnis zu seiner Umgebung bewältigungsbedürftige Spannungen begründet oder erhöht. Ein Vorhaben, das zu einer Verschlechterung, Störung oder Belastung der Umwelt führt und damit “Unruhe” stiftet, ist planungsbedürftig und fügt sich in seine Umgebung nicht ein. Die rein abstrakte Möglichkeit, dass ein Vorhaben Konflikte im Hinblick auf die zukünftige Nutzung benachbarter Grundstücke auslöst, schließt die Zulässigkeit des Vorhabens jedoch noch nicht aus. 

Die bodenrechtlichen Spannungen, die ein Vorhaben erzeugt, müssen sich auf die konkreten Wirkungen des Vorhabens in der konkreten Umgebung beziehen, in der es verwirklicht werden soll. Solche Spannungen können auch darin bestehen, dass das Vorhaben, auch wenn es selbst zu keiner Verschlechterung der gegenwärtigen Situation führt, aufgrund seiner Vorbildwirkung in naheliegender Zukunft eine solche Verschlechterung nach sich ziehen kann, BVerwGE 44, 302 (305). So kann z.B. die erste Vergnügungsstätte in einem Gebiet die städtebauliche Situation negativ in Bewegung bringen, BVerwG Urt.v. 15.12.1994 – 4 C 13/93.

Maßgeblich sind vor allem die in § 1 (6) BauGB aufgezählten städtebaulichen Belange. Abzustellen ist zudem auf die typische Nutzung des betreffenden Vorhabens.

Ein Vorhaben kann, obwohl es sich in jeder Hinsicht innerhalb des aus seiner Umgebung hervorgehenden Rahmens hält, unzulässig sein, wenn es an der gebotenen Rücksichtnahme auf die sonstige, d.h. vor allem auf die in seiner unmittelbaren Nähe vorhandene Bebauung fehlen lässt. 

Das Gebot der Rücksichtnahme ist Bestandteil des Merkmals “Einfügen”. Oftmals ists eine ungleichmäßige Verteilung der Nutzungen, die insgesamt den Maßstab für eine Beurteilung des Vorhabens geben, festzustellen.

Für die Zulässigkeit eines Vorhabens kann deshalb nicht allein auf den insgesamt maßgebenden Rahmen abgestellt werden, wenn “seine unmittelbare Umgebung oder seine Umgebung in bestimmter (Himmels-)Richtung gesteigert schutzwürdig ist, BverwG Urt. v. 26.5.1978 – 4 C 9/77. Durch das Gebot der Rücksichtnahme wird damit vor allem dem Umstand Rechnung getragen, dass der für die Beurteilung des Vorhabens maßgebliche Rahmen aus der näheren Umgebung, insbesondere aus der in unmittelbarer Nähe vorhandenen Bebauung, gewonnen wird.

Je uneinheitlicher die Eigenart der näheren Umgebung ist, desto mehr Bedeutung hat das Gebot der Rücksichtnahme im Einzelfall. Je einheitlicher und homogener die vorhandene Bebauung ist, desto geringer ist bei einem Vorhaben, das sich in die Umgebung einfügt, die Bedeutung des Rücksichtnahmegebotes als Korrektiv im Einzelfall.

 

Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse

Gem. § 34 (1) Satz 2 müssen die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse gewahrt bleiben und das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden. Städtebauliche Missstände sollen verhindert werden und das schützenswerte Gesamtbild der Umgebung darf nach dem ästhetischen Empfinden eines aufgeschlossenen Betrachters nicht gestört werden.

Die Wahrung der Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse als ein beachtliches Zulässigkeitsmerkmal für die Beurteilung von Innenbereichsvorhaben spiegelt die planungsrechtlichen Grundsätze des § 1 (6) Nr. 1 BauGB wieder. Es geht um die Abwehr städtebaulicher Missstände, BVerwG Urt. v. 12.12.1990 – 4 C 40/87. Unzureichende Wohn- und Arbeitsverhältnisse können  vor allem durch schädliche Umwelteinwirkungen hervorgerufen werden, aber auch aufgrund von kontaminierten Böden, sog. “Altlasten” bestehen. Werden bislang hinreichende Wohn- und Arbeitsverhältnisse in der näheren Umgebung erst durch das beabsichtigte Vorhaben verschlechtert, fügt sich das Vorhaben nicht ein und ist deshalb unzulässig.

Die größte Zahl der Rechtsstreitigkeiten bezieht sich auf Umweltprobleme, vor allem auf Beeinträchtigungen durch Immissionen, die entweder vom Bestand oder durch das beabsichtigte Vorhaben ausgehen. Neben der Gemengelagenproblematik treten Konflikte im Zusammenhang mit Spiel-, Freizeit-, Sport oder Vergnügungsstätten auf.

In Gebieten mit sog. Gemengelagen ist der für das Merkmal Einfügen allein durch § 34 (1) BauGB vorgegebene Rahmen häufig weit. Als Gemengelage werden Gebiete mit einem engen Nebeneinander von unterschiedlichen, sich häufig wechselseitig beeinträchtigenden Nutzungen bezeichnet, insbesondere bei einem Nebeneinander von Wohnungen einerseits und Industrie, Handel, Gewerbe, Landwirtschaft, Freizeitgelände oder Verkehr andererseits.

Von einem faktischen Mischgebiet, § 6 BauNVO, unterscheidet sich die Gemengelage dadurch, dass es auch um das Nebeneinander von Nutzungen geht, die so in einem Mischgebiet nicht zulässig wären, z.B. Wohnen und das Wohnen wesentlich störende Gewerbebetriebe. Wegen das in diesen Gebieten weiten Beurteilungsrahmens kommt der möglichen Beeinträchtigung schutzwürdigere Belange und damit dem Gebot der wechselseitigen Rücksichtnahme besonders große Bedeutung zu.

Zu Gunsten eines neuen Vorhabens ist die Vorbelastung durch bereits vorhandene Anlagen in der näheren Umgebung, insbesondere die Vorbelastung durch genehmigte und dafür grundsätzlich bestandsgeschützte Immissionen, grundsätzlich zu berücksichtigen, BVerwGE 50,49. Der für das Neubauvorhaben maßgebliche Rahmen und auch die vorhandenen Vorbelastungen sind “in wertfrei-feststellender Würdigung der gegebenen Situation” zu bestimmen. In Bereichen, in denen Nutzungen unterschiedlicher Art mit unterschiedlicher Schutzwürdigkeit zusammentreffen ist die jeweilige Grundstücksnutzung mit einer spezifischen Pflicht zur Rücksichtnahme belastet, und zwar in der Weise, dass die gewerbliche Nutzung die von ihr ausgehende Belästigung in Grenzen hält und dass die benachbarte Wohnnutzung die Tatsache, dass sie in der Nähe einer Belästigungsquelle angesiedelt ist, im Sinne der Bildung einer Art Mittelwert respektiert. Das gilt auch für Geruchsimmissionen, BVerwG Beschl. v. 28.9.1993 – 4 B 151/93.

Ein Wohnbauvorhaben fügt sich, was die von ihm hinzunehmenden gewerblichen Immissionen angeht, in die derart “vorbelastete” Eigenart der näheren Umgebung ein, wenn es nicht stärkeren Belästigungen ausgesetzt sein wird, als die bereits vorhandene Wohnbebauung.

Die gewerbliche Nutzung braucht gegenüber einer neu hinzukommenden Wohnnutzung nicht mehr Rücksicht zu nehmen, als gegenüber der bereits vorhandenen Wohnnutzung.

Halten sich die von dem Gewerbebetrieb ausgehenden Belästigungen in den Grenzen des der Wohnnutzung im Sinne eines “Mittelwerts” Zumutbaren, sind gegenüber dem Gewerbebetrieb keine immissionsschutzrechtlichen Beschränkungen seines Betriebs infolger der hinzukommenden Wohnbebauung gerechtfertigt. Dies gilt auch für Fälle von Betriebserweiterungen oder -änderungen. Überschreiten die Belastungen diese Grenze, hat der Betrieb Einschränkungen bereits wegen der vorhandenen und nicht erst wegen der hinzukommenden Wohnbebauung zu befürchten, Battis, Reidt, Komm. BauGB, § 34, Rn. 48.

Maßgeblich ist stets eine typisierende Betrachtung, da es um die Zulässigkeit der Grundstücksnutzung als solche geht, auf besondere individuelle Empfindlichkeiten komme es nicht an.

Zur im Rahmen des § 34 (1) BauGB zulässigen Lösung von Konflikten zwischen Sportanlagen und angrenzenden Wohnbereichen können insbesondere die Bauausführung und der Standort beitragen. Ein privater Tennisplatz ist in einem durch Wohnbebauung gekennzeichneten unbeplanten Innenbereich grundsätzlich zulässig, Voraussetzung ist aber in der Regel, dass sich der Tennisplatz im Verhältnis zum Wohngebäude und zur Grundstücksgröße als untergeordnete Nebenanlage darstellt und dass er nach seiner Lage auf dem Grundstück nicht zu Störungen der Wohnruhe der Nachbarn führt. Führt ein Tennisplatz zu Störungen der Wohnruhe, widerspricht er der Eigenart des maßgebenden Bereichs. Über die vorhandene Vorbelastung hinausgehende zusätzliche Immissionsbelastungen stellen sich in aller Regel auch als ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot dar.

In einem unbeplanten allgemeinen Wohngebiet ist ein Wohnbauvorhaben in unmittelbarer Nachbarschaft eines Sportplatzes unzulässig, wenn es sich Sport-Immissionen aussetzt, die nach der Eigenart des Gebietes in diesem unzumutbar sind. Werden die für Kern-, Dorf- und Mischgebiete festgelegten Grenzwerte nicht überschritten, sind regelmäßig gesunde Wohnverhältnisse gewahrt, BVerwG Urt. v. 23.9.1999 – 4 C 6/98, BVerwGE 109, 314. Kinderspielplätze sind in einem auch durch Wohnnutzung geprägten Bereich in aller Regel zulässig.

Die mit der Benutzung von in einem Baugebiet allgemein zulässigen religiösen Anlagen üblicherweise verbundenen Beeinträchtigungen sind grundsätzlich hinzunehmen, BVerwG Urt. v.  27.2.1992 – 4 C 50/89

Ein zweites Gebäude im rückwärtigen Grundstücksteil – sog. Hinterlandbebauung (z.B. sog. Pfeifenkopf- oder Hammergrundstücke) kann auch dann zulässig sein, wenn in dem betreffenden Bereich das Hintergelände noch nicht in vergleichbarer Weise bebaut ist. Ein allgemein geltender Grundsatz, dass Hinterbebauung städtebaulich unerwünscht ist. Auch wenn sich das Vorhaben im Allgemeinen in solchen Fällen nicht in dem vorgegebenen Rahmen hält, ist es nur dann unzulässig, wenn es bodenrechtlich beachtliche und ausgleichsbedürftige Spannungen begründet oder die vorhandenen Spannungen erhöht. Dies kann der Fall sein bei nicht unwesentlichen Beeinträchtigungen des Ortsbildes, einer unangemessenen Verminderung der Freiflächen im Gebiet, der Störung einer vorhandenen Ruhelage oder der Beeinträchtigung der Durchlüftung. Dem Vorhaben kann eine Vorbildwirkung in dem Sinne entgegengehalten werden, dass nachfolgende Vorhaben die vorhandene Freifläche unangemessen vermindern würden.

Eine private Windenergieanlage für den Eigenbedarf eines Einfamilienhauses kann sich je nach den konkretn Umständen des Einzelfalls in die Eigenart der näheren Umgebung einfügen, auch wenn es bislang keine vergleichbaren Anlagen dort gibt, BVerwG Urt. v. 18.2.1983 – 4 C 18/81.

Auch wenn ein Vorhaben weder allgemein noch ausnahmsweise zulässig ist, kann es durch entsprechende Anwendung der Befreiungsvorschrift des § 31 (2), 2. Halbsatz BauGB zugelassen werden. Auch insofern wird der nichtbeplante Innenbereich dem  beplanten Innenbereich gleichgestellt, vgl. Mitschang/Reidt, Komm. BauGB, § 34, Rn. 64. Einer gewissen Relativierung bedarf jedoch die Anforderung des § 31 (2) BauGB, dass durch die Abweichung die Grundzüge der Planung nicht berührt sein dürfen, da es im unbeplanten Innenbereich eine solche Planung gerade nicht gibt.