— 05.08.2020 —
Die im Außenbereich, vorbehaltlich entgegenstehender öffentlicher Belange, zulässigen Vorhaben hat der Gesetzgeber in Absatz 1 der Vorschrift abschließend geregelt. Für sonstige Vorhaben im Außenbereich ist ein grundsätzliches Bauverbot mit Ausnahmevorbehalt festgelegt, das für bestimmte Änderungen, Nutzungsänderungen, Erweiterungen oder Neuerrichtungen gelockert ist,§ 35 (4) BauGB.
Grundsätzlich gilt, dass der Außenbereich von baulichen Anlagen freizuhalten ist, soweit diese nicht ihrem Wesen nach in den Außenbereich gehören. § 35 (6) BauGB ermöglicht es, in bestimmten Fällen, durch gesonderte Außenbereichssatzungen Bauvorhaben im Außenbereich zu verwirklichen.
Zum Außenbereich gehören diejenigen Gebiete, die weder innerhalb des räumlichen Geltungsbereichs eines vorhabenbezogenen oder qualifizierten Bebauungsplans, noch innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile liegen. Das Vorliegen eines einfachen Bebauungsplans im Sinne von § 30 (3) BauGB hindert die Zuordnung zum Außenbereich nicht.
Es verbietet sich, die Begriffsbestimmung mit Vorstellungen zu verbinden, die dem Außenbereich ganz bestimmte Vorstellungsbilder zuordnen, etwa die der “freien Natur”, der “Stadtferne” oder der “Einsamkeit”. Dass diese Flächen in einem naturalistisch-geografischen Sinne “außen” liegen, wird mit dem Begriff des Außenbereichs nicht festgelegt, vgl. Mitschang/Reidt, Komm. BauGB, 13. Auflage, § 35, Rn. 2.
Die privilegierten Vorhaben, § 35 (1) BauGB
Die in Absatz 1 genannten Vorhaben sind im Außenbereich bevorzugt zulässig. Der Gesetzgeber hat “sozusagen generell geplant”, indem er die genannten Vorhaben dem Außenbereich zuordnete und damit den Gemeinden die eventuell erforderliche Planung abgenommen hat. Der einschränkende Unterschied zu einem beplanten Gebiet ist, dass mit
- 35 (1) BauGB keine Entscheidung über den konkreten Standort der privilegierten Vorhaben getroffen wurde. Daher gilt auch für diese Vorhaben das Gebot der größtmöglichen Schonung des Außenbereichs. Dieses wird dadurch konkretisiert, dass einem privilegierten Vorhaben keine öffentlichen Belange entgegenstehen dürfen.
Bei der Entscheidung über die Zulässigkeit privilegierter Vorhaben steht der Genehmigungsbehörde kein Ermessen zu. Es besteht ein Rechtsanspruch auf die Zulassung des Vorhabens, sofern öffentliche Belange nicht entgegenstehen, die ausreichende Erschließung gesichert ist und das Vorhaben den Festsetzungen eines etwaigen einfachen Bebauungsplans nicht widerspricht.
In § 35 (3) BauGB sind Beispiele für öffentliche Belange aufgeführt. Die öffentlichen Belange dürfen dem privilegierten Vorhaben nicht entgegenstehen, bei den sonstigen Vorhaben, § 35 (2) BauGB, dürfen öffentliche Belange gar nicht erst beeinträchtigt werden.
Bei der Abwägung, die zwischen den privaten Interessen des Bauwilligen und den öffentlichen Belangen vorzunehmen ist, muss der Privilegierung der Vorhaben entsprechendes Gewicht beigemessen werden.
Die Erschließung ist gesichert, wenn damit gerechnet werden kann, dass sie bis zur Herstellung des Bauwerks, spätestens bis zur Gebrauchsnahme funktionsfähig angelegt ist und wenn damit zu rechnen ist, dass sie auf Dauer zur Verfügung stehen wird. Die Anforderungen an die ausreichende Erschließung richten sich nach den jeweiligen Gegebenheiten, also nach den Auswirkungen und Bedürfnissen des jeweiligen Vorhabens. Im Außenbereich sind die Anforderungen tendenziell niedriger. Das Gesetz stellt hier auf Mindestanforderungen zur Befriedigung des durch das Einzelvorhaben ausgelöste Erschließungsbedürfnisses ab. Zu den Mindestanforderungen gehört neben der wegemäßigen Anbindung insbesondere eine Abwasserbeseitigung, die im Einklang mit den wasserrechtlichen Vorschriften steht. Die Trink-, Lösch- und Betriebswasserversorgung muss gesichert sein, vgl. Mitschang/Reidt, Komm. BauGB, 13. Auflage, § 35 Rn. 7 f.
Die Privilegierung des § 35 (1) Nr. 1 BauGB bezieht sich auf Vorhaben, die einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb dienen und nur einen untergeordneten Teil der Betriebsfläche einnehmen. § 201 BauGB definiert den Begriff der Landwirtschaft.
Ein landwirtschaftlicher Betrieb liegt vor, wenn er auf die Erzeugung landwirtschaftlicher Produkte nicht unerheblichen Ausmaßes gerichtet ist. Werden landwirtschaftliche Produkte lediglich verarbeitet, müssen sie sich zumindest überwiegend auf die Bodenerträge des jeweiligen Betriebs beziehen. Nicht ausschlaggebend ist, ob der Betrieb haupt- oder nebenberuflich bewirtschaftet wird.
Es muss eine bestimmte Organisation des Betriebes vorliegen, es muss sich auch um ein auf Dauer gedachtes und lebensfähiges Unternehmen handeln. Das Unternehmen muss auch auf eine lange, im Regelfall für mehrere Generationen bemessene Dauer angelegt sein. Lebensfähigkeit und Nachhaltigkeit setzen dabei ein Mindestmaß an Umfang der landwirtschaftlichen Betätigung voraus. Das gilt auch für Betriebe, die auf Pachtflächen angewiesen sind. Der Betrieb muss auf Ertragserzielung und Gewinnerzielungsabsicht ausgerichtet sein. Eine bloße Freizeitbeschäftigung oder Liebhaberei erfüllt diese Voraussetzung nicht.
Die land- oder forstwirtschaftliche Tätigkeit muss ernsthaft betrieben werden. Diese Anforderungen sollen vor allem sicherstellen, dass die Privilegierung baulicher Vorhaben zugunsten der Land- oder Forstwirtschaft auf Betriebe begrenzt bleibt, die wegen ihrer besonderen Zweckbestimmung im Außenbereich ausgeführt werden sollen. Hierdurch soll auch einem Missbrauch entgegengewirkt werden, insbesondere in Fällen einer “nur zum Schein” geplanten landwirtschaftlichen Tätigkeit, die eine andere tatsächliche Nutzungsabsicht – etwa die Errichtung eines Wohngebäudes im Außenbereich – verschleiern soll, vgl. Mitschang/Reidt, § 35, Rn. 13 ff.
Wird einem landwirtschaftlichen Betrieb ein nicht landwirtschaftlicher Betriebsteil angegliedert, ist für die Teilnahme an der Privilegierung nicht allein die wirtschaftliche Zweckmäßigkeit der betrieblichen Erweiterung maßgebend. Innerhalb einer angemessenen Bandbreite hindert das Gesetz den Eigentümer nicht, zu bauplanungsrechtlich hinzunehmenden Umstrukturierungen zu gelangen und neue Betriebsweisen zu entwickeln. Die für sich betrachtet nichtlandwirtschaftlichen Nutzungen werden dann von der Privilegierung “mitgezogen”. Sie müssen aber erkennbar dem landwirtschaftlichen Betrieb zu- und untergeordnet sein und gegenüber diesem bodenrechtliche Nebensache bleiben, vgl. BVerwG Urt. v. 19.4.1985 – 4 C 54/82.
Mitgezogen werden können im Einzelfall auch Dienstleistungen und sonstige Nutzungen. Eine gängige Form der mitgezogenen Nutzung ist auch die Vermietung von Ferienzimmern oder Ferienwohnungen. Die mögliche Zahl der Ferienzimmer oder -wohnungen ist als solche nicht begrenzt, ergibt sich aber aus dem Verhältnis des landwirtschaftlichen Betriebs als Hauptsache zu den mitgezogenen Nutzungen.
Das Vorhaben muss dem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb dienen. Bei der Auslegung des Begriffs ist auf den Grundgedanken abzustellen, dass im Außenbereich grundsätzlich nicht gebaut werden soll. Die Zulässigkeit eines Vorhabens hängt daher nicht allein von der Behauptung des Bauherrn ab, die Benutzung des Vorhabens erleichtere oder fördere die Bewirtschaftung des land- oder forstwirtschaftlichen Besitzes.
Es bedarf der Feststellung im Einzelfall, inwieweit die Angaben des Bauherrn über die beabsichtigte künftige Verwendung des Vorhabens mit den konkreten tatsächlichen Verhältnissen im Einklang stehen. Es kommt daher nicht auf die Beurteilung der Zweckmäßigkeit an, sondern auf die tatsächliche Bodenbewirtschaftung des konkreten Betriebes sowie darauf, in welchem Zusammenhang das Vorhaben mit ihr stehen würde, vgl. Mitschang/Reidt, Komm.BauGB, 13. Auflage, § 35, Rn. 19.
Die Zulässigkeit eines Vorhabens setzt nicht voraus, dass es für den landwirtschaftlichen Betrieb schlechthin unentbehrlich ist, so dass die Aufrechterhaltung des Betriebes mit dem Vorhaben “steht und fällt”. Daher kann auch ein Vorhaben zulässig sein, dass zwar unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten nicht zwingend für den Betrieb erforderlich ist, “aber nach der individuellen Betriebsweise tatsächlich dem Betrieb gewidmet und durch diese Widmung auch gekennzeichnet ist”, BVerwG Urt. v. 13.1.1967 – IV C 47/65. Es kommt also auf die Verkehrsauffassung an, ob ein Vorhaben einem Betrieb dient. Es ist darauf abzustellen, ob ein vernünftiger Landwirt unter Berücksichtigung des Gebots größtmöglicher Schonung des Außenbereichs dieses Vorhaben mit etwa gleichem Verwendungszweck und mit etwa gleicher Gestaltung und Ausstattung für einen entsprechenden Betrieb errichten würde und das Vorhaben durch die Zuordnung zu dem konkreten Betrieb auch äußerlich erkennbar geprägt wird, vgl. VG München Urt. v. 13.1.2011 – 2 B 10/269.
Bei Betriebsgebäuden wie Ställen oder Scheunen oder auch bei den Wohngebäuden des Landwirts ist dies bei angemessener Größe in der Regel zu bejahen, aber auch bei einem in unmittelbarer Nähe der Wirtschafts- und Wohngebäude eines landwirtschaftlichen Betriebs errichteten Bauwerk, dass dem Bauern und seinen Angehörigen während ihrer freien Zeit zur Verfügung stehen soll.
Dagegen sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt bei einem Freizeitgebäude außerhalb der Hofstelle, z. B. einer Fischerhütte. An der Voraussetzung, einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb zu dienen, kann es auch fehlen, wenn das Vorhaben nach seiner Beschaffenheit, Gestaltung oder Ausstattung nicht durch diesen Verwendungszweck hinreichend geprägt wird.
Zur dienenden Funktion eines Vorhabens gehört auch dessen räumliche Zuordnung zu den landwirtschaftlichen Betriebsflächen. Das Gesetz lässt Bauvorhaben, die einem landwirtschaftlichen Betrieb dienen, nicht deshalb bevorzugt im Außenbereich zu, weil es die Landwirte als Personengruppe begünstigen will, sondern weil Landwirtschaft Bodenertragsnutzung auf Außenbereichsflächen ist und damit die möglichst nahe räumliche Zuordnung der Hofstelle zu den Betriebsflächen der landwirtschaftlichen Betriebsweise in besonderer Weise dienlich ist. An der dienenden Funktion fehlt es daher bei Vorhaben, deren Standort nicht durch die betrieblichen Erfordernisse bestimmt wird, sondern bei denen erkennbar der Wunsch im Vordergrund steht, ein Gebäude in landschaftlich reizvoller Lage zu errichten, VGH Mannheim, Urt. v. 26.10.1984 – 5 S 246/84.
Das Erfordernis einer prägenden Zuordnung der baulichen Anlagen zum landwirtschaftlichen Betrieb setzt jedoch nicht voraus, dass die Gebäude stets inmitten oder in unmittelbarer Nähe der Betriebsflächen liegen. Dies würde den Erfordernissen landwirtschaftlicher Betriebe mit verstreuten Betriebsflächen, z.B. Winzerbetrieb, nicht gerecht. Die Entfernung der Betriebsgebäude zu den Betriebsflächen muss noch angemessen sein.
Die Privilegierung des § 35 (1) Nr. 1 BauGB ist weiterhin dadurch eingeschränkt, dass ein Vorhaben nur zulässig ist, wenn es einen untergeordneten Teil der Betriebsfläche einnimmt. Die von dem Vorhaben in Anspruch genommene Fläche darf im Verhältnis zur unmittelbar der Bodennutzung dienenden Fläche nur geringfügig ins Gewicht fallen. Die Betriebsfläche muss also in wirtschaftlicher Hinsicht gegenüber dem Vorhaben eindeutig den Schwerpunkt bilden. Es ist immer auf die konkreten Umstände des Einzelfalls abzustellen, vgl. Mitschang/Reidt, Komm. BauGB, 13. Auflage, § 35, Rn. 22.
- 35 (2) BauGB Zulässigkeit sonstiger Vorhaben
Sie können im Einzelfall zugelassen werden, wenn ihre Ausführung oder Benutzung öffentliche Belange nicht beeinträchtigt und die Erschließung gesichert ist.
Der maßgebliche Unterschied bei der Beurteilung sonstiger Vorhaben gegenüber der Zulässigkeit privilegierter Vorhaben ist, dass die sonstigen Vorhaben nur zugelassen werden, wenn ihre Ausführung oder Benutzung öffentliche Belange nicht beeinträchtigt.
Die unterschiedliche Bewertung der öffentlichen Belange erfolgt deshalb, weil der Gesetzgeber hinsichtlich der privilegierten Vorhaben für den Außenbereich bereits “generell geplant” hat. Die bloße Beeinträchtigung öffentlicher Belange macht ein privilegiertes Vorhaben daher anders als ein sonstiges Vorhaben nach § 35 (2) BauGB nicht schon unzulässig; Die Privilegierung führt also zu einem stärkeren Durchsetzungsvermögen gegenüber öffentlichen Belangen.
Bei nicht privilegierten Wohnbauvorhaben reichen die für landwirtschaftliche Betriebe zumeist geringeren Anforderungen an die gesicherte Erschließung nicht. Es ist eine Erschließung zu verlangen, die in der Befahrbarkeit der im Innenbereich erforderlichen und üblichen Erschließung entspricht, BVerwG Urt. v. 31.10.1990 – 4 C 45/88.
Das Erschließungsangebot eines Bauwilligen ist in den Fällen der sonstigen Vorhaben anders zu beurteilen als bei den privilegierten Vorhaben. Die Gemeinde ist, selbst wenn ihr keine finanziellen Lasten aus der von einem Bauwilligen übernommenen Herstellung der Erschließungsanlagen entstehen würden und wenn die Herstellung der Erschließungsanlagen keine öffentlichen Belange im Sinne des § 35 (3) BauGB beeinträchtigen würde, nicht zur Annahme eines Erschließungsangebotes verpflichtet. Denn auch die Erschließung ist ein Instrument in der Hand der Gemeinde, die eine geordnete städtebauliche Entwicklung gewährleisten soll, insbesondere durch eine Lenkung der städtebaulichen Entwicklung und auch Verhinderung einer unerwünschten Zersiedlung, BVerwG Urt. v. 7.2.1986 – 4 C 30/84.
Werden durch die Ausführung oder Nutzung eines Vorhabens öffentliche Belange nicht beeinträchtigt, besteht auf die Zulassung des Vorhabens ein Rechtsanspruch. Der Behörde steht kein Ermessensspielraum zu (trotz des Wortlauts “können”), weil andernfalls die Behörde den Inhalt des Eigentums bestimmen würde. Diese Inhaltsbestimmung ist jedoch nach Art. 14 (1) S. 2 Grundgesetz dem Gesetzgeber vorbehalten, vgl. Mitschang/Reidt, Komm. BauGB, 13. Auflage, § 35, Rn 66.