— 24.08.2020 —
Der in der Rechtsprechung aus Art. 14 (1) Grundgesetz hergeleitete allgemeine Bestandsschutz für ein Bauwerk bezieht sich auf folgende Fälle:
Ein Vorhaben wurde im Einklang mit dem geltenden Baurecht errichtet; nach den inzwischen geltenden Rechtsvorschriften wäre es nicht mehr zulässig. Ein durch Art. 14 (1) GG bewirkter Bestandsschutz liegt somit zunächst nur vor, wenn der Bestand zu irgendeinem Zeitpunkt genehmigt wurde oder jedenfalls genehmigungsfähig gewesen ist, vgl. Mitschang/Reidt, Komm. BauGB, 13. Auflage, § 35 Rn.188. Der Grundsatz eines baurechtlichen Bestandsschutzes bedeutet zunächst, dass das bestehende Bauwerk eigentumsrechtlich, also in seinem Bestand, geschützt ist. Der Bestandsschutz gewährleistet das Recht, das Bauwerk so zu unterhalten und zu nutzen, wie es seinerzeit (rechtmäßig) errichtet wurde, Mitschang/Reidt, Komm. BauGB, 13. Auflage, § 35, Rn. 188.
Der Bestandsschutz beginnt, sobald das Vorhaben fertiggestellt ist und in formeller und materieller Hinsicht rechtmäßig ist, die Rechtmäßigkeit kann nachträglich eingetreten sein. Er endet u.a. mit der Änderung der zulässigen Nutzung, BVerwG, Beschl.v. 21.6.1994 – 4 B 108/94. Der Bestandsschutz beschränkt sich auf die vorhandene Bausubstanz und schließt damit nicht bauliche Erweiterungen, z.B. Anbauten oder einen Ersatzbau anstelle des bestandsgeschützten Bauwerks mit ein.
Ob auch rechtswidrige Bauwerke nach langer Zeit Bestand genießen können, hat das Bundesverwaltungsgericht offen gelassen, BVerwG, Beschl. v. 21.3.2001 – 4 B 18/01, (vgl. aber OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 24.2.2016 – 7 A 19/14)
Reparatur- und Wiederherstellungsarbeiten, die nur die weitere Nutzung des bisherigen Bestands in der bisherigen Weise ermöglichen und auch nicht zu einer Nutzungsänderung führen, sind vom Bestandsschutz gedeckt. Der Bestandsschutz erfasst weiterhin auch solche baulichen Veränderungen oder auch Erweiterungen, die erforderlich sind, um den vorhandenen Bestand weiterhin funktionsgerecht nutzen zu können, z.B. zur Anpassung eines Altbaus an gewandelte Lebensverhältnisse durch den Einbau neuer sanitärer Anlagen oder einen Garagenbau, w.o, Rn. 189.
Zur Abgrenzung von Reparatur- und Instandsetzungsarbeiten von darüber hinausgehenden Maßnahmen ist darauf abzustellen, ob das wiederhergestellte Bauwerk identisch ist oder ob ein wesentlich neues Bauwerk geschaffen wird.
Der Bestandsschutz scheitert nicht daran, dass das Gebäude von außen einem Neubau gleicht; entscheidend ist, dass hierdurch das Volumen des Gebäudes nicht wesentlich erweitert wird. Auch die Aufteilung des Gebäudes in drei statt bisher zwei Wohnungen berührt den Bestandsschutz für das Gebäude nicht.
Ist der mit Reparatur- und Instandsetzungsmaßnahmen verbundene Eingriff in den Bestand so intensiv, dass er die Standfestigkeit des gesamten Bauwerks berührt und eine statische Nachrechnung der gesamten Anlage notwendig macht, oder erreicht der für die Instandsetzung notwendige Arbeitsaufwand den für einen Neubau, sind diese Maßnahmen vom Bestandsschutz nicht mehr gedeckt, w.o. Rn. 189.
Von der Frage des Bestandsschutzes zu unterscheiden ist die Frage nach der formellen Genehmigungsbedürftigkeit derartiger Änderungen, die sich nach dem Bauordnungsrecht der Länder richtet.
Der Bestandsschutz für die in einem Gebäude ausgeübte Nutzung endet mit dem tatsächlichen Beginn einer andersartigen Nutzung, sofern diese erkennbar nicht nur vorübergehend ausgeübt werden soll.
Die Entscheidung des BVerwG vom 21.03.2001 – 4 B 18.01 bezog sich auf einen Rechtsstreit über die Beseitigungsanordnung einer im Jahr 1948 illegal im Außenbereich errichteten Hütte, welche der neue Eigentümer im Jahr 1984 erneuert hatte. Handelte es sich bei der Erneuerung um eine zulässige Instandsetzung einer eventuell bestandsgeschützten Baulichkeit (wegen des langen Zeitraumes, auch wenn die Hütte einstmals illegal errichtet wurde) oder eine Neuerrichtung, die den möglichen Bestandsschutz erlöschen ließ?
“Danach ist Kennzeichen dieser Identität, dass das ursprüngliche Gebäude nach wie vor als “Hauptsache” erscheint. Hieran fehlt es dann, wenn der mit der Instandsetzung verbundene Eingriff in den vorhandenen Bestand so intensiv ist, dass er die Standfestigkeit des gesamten Gebäudes berührt und eine statische Nachberechnung des gesamten Gebäudes erforderlich macht, oder wenn die für die Instandsetzung notwendigen Arbeiten den Aufwand für einen Neubau erreichen oder gar übersteigen, oder wenn die Bausubstanz ausgetauscht oder das Bauvolumen wesentlich erweitert wird. Das Berufungsgericht hat – selbst bei Unterstellung, dass die Außenwände im Wesentlichen unverändert geblieben sind – angenommen, dass die Hütte durch zahlreiche (auch baugenehmigungsfreie) Baumaßnahmen so sehr verändert worden sei, dass sie einem Neubau gleichgesetzt werden müsse… Die Frage, ob auch rechtswidrige Bauwerke nach langer Zeit Bestandsschutz genießen können oder ob sie sich in Analogie zu den zivilrechtlichen Vorschriften über die Ersitzung nach 30 Jahren gegenüber einer Beseitigungsanordnung durchsetzen können, ist nicht entscheidungserheblich. Die Beschwerde stellt nämlich insoweit auf die erstmalige Errichtung der Hütte im Jahre 1948 ab. Wenn aber die Bauarbeiten im Jahre 1984 so umfangreich waren, dass die Hütte danach einem Neubau gleichgesetzt werden muss, so wäre auch nur auf den Zeitraum ab 1984 abzustellen.”